Wenn sich Ihr Produkt gegen ein anderes durchsetzen soll, dann ist der erste Schritt die Aufmerksamkeit der Kunden zu bekommen (AIDA-Modell).
In der Werbepsychologie sind der Umgang, die Steuerung und auch die Manipulation der Aufmerksamkeit zentral.
Denn: Tatsächlich kommen nur ein Bruchteil der Produkte für den Kunden in Frage, wenn es um den Kaufentscheid geht. Viele Produkte erreichen gar nicht die erste Runde, da sie es nicht schaffen, die Aufmerksamkeit des Kunden wecken zu können.
Wie genau funktioniert es also mit der Aufmerksamkeit?
Es klingt so banal, dass man es fast gar nicht schreiben möchte. Dennoch: Zeigen Sie sich da, wo auch Ihre Kunden sind. Basic.
Fangen Sie also damit an, dass Sie herausfinden, wo die Leute sind. In Abhängigkeit von dem Produkt und dem Gesamtkonzept kann es zudem clever sein zu wissen, warum die Kunden da sind und was sie dort erwarten.
Nehmen wir zum Beispiel Facebook und eine gewagte These: Niemand meldet sich dort an, um endlich Werbung zu sehen. Haben Sie das im Blick, wenn Ihr Unternehmen sich daran macht, etwas zu entwickeln, was die Aufmerksamkeit des Kunden verdienen möchte.
Aufmerksamkeitssteuerung
Sie kennen das: Sie stehen in einem Raum voller Leute und Ihr Gesprächspartner schwallt Sie mit unnützem Wissen zu.
Er redet und redet. Sie sehen irgendwann nur noch, dass seine Lippen sich bewegen. Sie sind gelangweilt. Desinteressiert und einfach nur zu höflich, um den Schwätzer stehen zu lassen.
Und doch gehen Sie, allerdings mit Ihrer Aufmerksamkeit. Sie blenden den Monolog-Partner einfach aus und konzentrieren sich auf etwas anderes. Sie sind zwar körperlich anwesend, innerlich denken Sie aber darüber nach, ob der Mann am Buffet tatsächlich gerade seine Frau angeblafft hat. Und wie gut sie das weglächeln kann. Wie die Beziehung der beiden wohl ist.
Was in diesem Beispiel wie ein Segen klingt, kann im Unternehmenskontext zum Fluch werden: Die Kunst der selektiven Aufmerksamkeit.
Die Welt ist bunt, laut und voll. In Zeiten der Informationsflut und allzeit bereiter Erreichbarkeit befinden wir uns mit unseren Produkten auf einer riesigen Cocktailparty, auf der sich Menschen drängen, reden, lachen und sich im besten Dress zeigen wollen.
Mal ehrlich: Was muss passieren, dass auf einer Cocktailparty etwas Ihre volle Aufmerksamkeit bekommt? Und zwar so, dass Sie alles andere ausblenden und sich nur noch damit beschäftigen möchten?
Clubhouse hat es vorgemacht
Wie kann man eine neue Social Media Plattform launchen und sie wettbewerbsfähig zu den Dominas, wie Facebook und Co, positionieren?
Genau so. Geschickter Move von Clubhouse: Um dabei zu sein, benötigt der User einen Kontakt, der bereits Zugang zu Clubhouse hat. Dieser verteilt einen der spärlich ausgeschütteten Invites und sorgt dafür, dass sein Kontakt in den elitären Kreis aufgenommen wird. Um als User Invites von Clubhouse nutzen zu können, muss man nur seine Kontakte freigeben. Also alles ganz easy.
Innerhalb kürzester Zeit entstand ein riesiger Hype. Jeder der Invites verteilen konnte schrie es auf allen Kanälen raus und wurde somit zum Aufmerksamkeitsinstrument der 7-Tages-Elite. Viel länger dauerte es gar nicht und das Schneeball-Kontakt-System war durch.
Spannend und erschreckend zugleich: Clubhouse war auf dieser Cocktailparty so brillant, dass so gut wie niemand dem Thema Datenschutz nur eine Sekunde Aufmerksamkeit geschenkt hat. Geschickt abgelenkt. Aber darüber gerne an anderer Stelle mehr.
Was hat Einfluss auf Aufmerksamkeit?
Das Beispiel zeigt sehr schön: Die Eigenschaften der Reizvorlage spielen überhaupt nicht so eine große Rolle, sondern vielmehr die Ziele des Betrachters. Die Aufmerksamkeitsverteilung schachern eher dem Need und dem Ego des Kunden zu.
Klingt hart. Ist aber so.
Wir Menschen als Kunden sind reine Egoisten, die nur eine befriedigende Antwort auf die Frage haben wollen: Was ist für mich drin?
Schreihälse doch ein alter Hut
Die Annahme, dass die Werbewirksamkeit am besten ist, je größer die Aufmerksamkeit, ist nur vom Prinzip her richtig.
Tatsächlich hat sich gezeigt, dass es für einen Beeinflussungsversuch gar nicht so günstig ist, wenn die volle Aufmerksamkeit des Kunden da ist. Ein mittleres Aufmerksamkeitsniveau siegt, da auf diese Weise die Gegenargumente nicht so leicht aktualisiert werden.
Und das ist ein nicht unwichtiger Punkt, denn im Verlauf des Kaufprozesses versucht der Kunde mittels Einwände immer, sich im (Nicht-) Kauf zu bestätigen.
In der Tat ziehen ablenkende Beschäftigungen keine Beeinträchtigungen der Werbewirkung nach sich. Das mag mehrere Ursachen haben.
Wenn Sie vor dem Fernseher Kreuzworträtsel lösen, dann bekommen Sie von der Werbung noch ein halbes Ohr voll mit. Werbung wiederholt sich und kann dafür sorgen, dass Sie beeinflusst werden. Oder aber: Durch die stille Beeinflussung entwickeln Sie keine Widerstände, die die Beeinflussung stoppen kann.
Aufmerksamkeit ist begrenzt
Und das auf zwei Ebenen.
Auf der einen Seite haben wir die Herausforderung der Ermüdung. Wer lange hintereinander Werbung ausgesetzt ist, verliert die Aufmerksamkeit und Sie Ihre Werbewirkung. Wer schon einmal eine Konferenz mit durchweg pitchenden Speakern besucht hat, der weiß wovon die Rede ist.
Und zum anderen fällt es schwer, seine Aufmerksamkeit einer zweiten Sache zu widmen, wenn wir bereits mit etwas beschäftigt sind.
An dieser Stelle bedarf es nun Ihrer ganzen Aufmerksamkeit, denn: Wer auf eine Sache konzentriert ist und eine weitere zugespielt bekommt, der neigt zu Fehleinschätzungen, falschen Annahmen und Entscheidungen.
Klartext. Die Aufmerksamkeitsspanne für Werbung beträgt gerade mal 2 Sekunden. Die meisten Effekte der Werberezeption beruhen somit vermutlich auf automatischen Prozessen der Informationsverarbeitung.
Wollen Sie also Rebell sein und sich gegen alle Gestaltungskonventionen stellen, dann kann man sich fragen, wie clever das im Hinblick auf die ziemlich sicher vorherrschende Aufmerksamkeit-Knappheit ist und ob diese den erstrebenswerten Effekt nicht einfach zunichte macht.
Ein langer Satz. Der brauchte tatsächliche volle Aufmerksamkeit.
Worüber generiert man klassisch Aufmerksamkeit?
In der Werbepsychologie gibt es ein paar Klassiker. Sie müssen Reize schaffen, die dafür sorgen, dass der Kunde Ihnen seine Beachtung schenkt. Hier werden Ihnen gleich ein paar Techniken gezeigt, die das können.
Vorab aber zur Klarstellung: Es dreht sich alles um Kontrast. Ihre Kundenansprache (zum Beispiel durch Ads) wird umso stärker wahrgenommen, je mehr sie sich von anderen unterscheidet.
Das wohl bekannteste und einfachste Beispiel hatten wir zu Zeiten der TV Werbung bei Schokoladen. Nahezu alle Hersteller warben mit Bildern aus der Natur, Kühen und frischer Milch, sowie einer Hand voll Nüssen, die einen Hauch von gesund suggerieren sollten.
Und dann kam Milka und machte die Kuhflecken lila. Spiel. Satz. Und Sieg.
Farbe
Grundsätzlich kann man sagen: Bunte Anzeigen in Zeitungen haben mehr Wirkung als schwarz-weiße. Allerdings nicht so hoch, wie es sich anhört und man muss sich tatsächlich immer fragen, ob der Aufwand im Verhältnis steht.
Doch auch hier: Das entscheidende Merkmal ist nicht bunt, sondern der Kontrasteffekt. Bunt auf schwarz-weiß. Schwarz-weiß auf bunt. Gestreift auf kariert. Hell auf dunkel. Dunkel auf hell.
Farben steigern die Aufmerksamkeit in ihrer Eigenschaft als Förderer von Kontrasten.
Mehrdeutigkeit und Neuartigkeit
Nichts zieht mehr Aufmerksamkeit an, als etwas, was neu ist. Alles was unklar ist und Orientierung braucht. Oder eben Dinge, die gegen Gestaltungs- und Wahrnehmungsgesetze bewusst verstoßen.
Firma Kellogg hat mal in einer Werbekampagne ihren Namen auf das äußerste Ende der Werbetafel angebracht, wobei der letzte Buchstabe, also das zweite ››g‹‹ zur Hälfte vom Rand abgeschnitten wurde. Diese Unvollständigkeit sorgte für Irritation und hatte damit eine extrem große Aufmerksamkeit zur Folge.
Campari spielte einst mit der Mehrdeutigkeit, in dem bekannte Gesichter zu ihrem ersten Mal befragt wurden. Es ging natürlich um das erste Mal Campari-Genuss, wie sich dann herausstellte.
Vielleicht noch ein Wort zur Neuartigkeit.
Neuartigkeit funktioniert nur im Kontext von Vertrauen. Also die Kombination von neu und bekannt – das schafft positive Aufmerksamkeit.
Sobald alle Element neu und unbekannt sind erschafft man Aversion und Irritation. Bis hin zur Abwendung.
Intensität und Menge
An der Stelle können wir abkürzen: Viel hilft viel. Und je knackiger und kürzer eine Botschaft, desto besser wird sie erinnert.
Bewegung
Bewegtbild, bewegte Elemente oder Videos – alles was sich bewegt zwingt den Kunden dazu, sich orientieren zu müssen. Denken Sie dabei nicht nur digital – oder gerade auch vielleicht nicht mehr. Denn so viele Videos…wie war das noch? Ein kleines Video auf einer Cocktailparty voller weiterer Videos – wie sichtbar kann das sein? Oder ist die Erschöpfung der Betrachter schon da?
Und wenn Sie digital denken: Dann doch bitte clever. Wo macht Bewegung Sinn? Wo wird sie nicht erwartet? Wo steckt der Kontrast?
Analog hatte es Pepsi bereits in den 80ern am Verkaufsort vorgemacht: Eine rotierende Acrylmasse erzeugte den Eindruck, dass Pepsi permanent aus einem Behälter gegossen wurde. Zack. Aufmerksamkeit.
Platzierung
Wie im echten Leben – die besten Plätze sind teuer und am schnellsten belegt, Zu recht. Aus Untersuchungen mit Eye-Tracking, Test von Werbeanzeigen in Zeitschriften, Aufmerksamkeit-Sieger in Schaufenstern – es gibt die perfekten Standorte.
Die größte Chance auf Aufmerksamkeit haben Platzierungen, die ohne Aufwand wahrgenommen werden können.
Wenn Kunden auf ein Produkt schnell und unkompliziert zugreifen können, dann kann das sogar zum Nachteil des Konkurrenz- Angebots werden, bei dem es einen kleinen Umweg braucht.
Denken Sie das nächste Mal dran, wenn Sie selbst mal wieder online shoppen wollen und Seiten verlassen, bei der Sie einfach einmal zu viel klicken müssen.
Aufmerksamkeit über Inhalte
Neugier, Neid, Schadenfreude, Sex und Schalgzeilen, wie: “Erfahre hier, welcher Deiner Nachbarn mit diesem Produktfeature seine Stromkosten um 30% gesunken hat” oder “Hier die Privatadressen von allen Multimillionären, die noch Single sind” ziehen immer besser, als intellektuelle Ansprachen und extrem anspruchsvolle Inhalte.
Bezug zu aktuellen Themen, wie es kürzlich IKEA wunderbar gemacht hat, ziehen natürlich auch immer: Bekannt dafür ist natürlich auch SIXT, die schnelles und smart-witziges Reagieren. Oder aber auch True fruits, die provokante Satire ins Marketing gebracht haben.
Fazit
Aufmerksamkeit ist die Währung der Unternehmen. Doch was auch feststeht: Aufmerksamkeit zu bekommen: Gut und schön. Das kriegt man gut mit Hirnschmalz und Kreativität hin. Doch bei der großen Anzahl an Mitbewerbern und Vergleichsoptionen ist eben auch liefern angesagt, um auf Langstrecke von der Aufmerksamkeit profitieren zu können.
Text: Stapelfux
Foto: Screenshot IKEA