Die neue Generation – das kann doch nicht alles sein?

Kommentar

Ich spreche mit einer Bekannten. Seit 2003 ist sie ein bekannter Name in der Online Marketing Branche. Zudem ist sie als Dozentin an der Hochschule tätig. Und meiner bescheidenen Meinung nach so richtig, richtig gut. Sie ist einer der wenigen, die ich um Rat frage.

Sie erzählt mir von einem potentiellen Kunden, der von ihr betreut werden möchte. Der Kunde ist neu am Markt und benötigt zudem noch eine Website. Da wäre bereits ein Dienstleister dran. Mit dem hat sie sich dann kurzgeschlossen, um die zukünftige Zusammenarbeit abzuklopfen.

Ein junger Bengel. Ziemlich dicke Hose. Dafür, dass er ein Websiten-Baukasten-System für den gemeinsamen Kunden nutzen will. Aber alles kein Thema: Er hat einen Vertrag mit Google, so dass er eh sofort auf Platz 1 rankt. K-Words und so. Google braucht aber eh keiner mehr, läuft alles gechillt auf Social Media.
Der Junge haut so richtig auf die Sahne. Was den Kunden in seiner Ahnungslosigkeit vielleicht noch beeindruckt hat ist hier auf Sand gelaufen.

Meine Bekannte hat den jungen Möchtegern-Unternehmer recht schnell rasiert und ihm erstmal erklärt, dass was er da von sich gibt nun wirklich absoluter Quatsch ist und so die Online Marketing Welt nicht funktioniert. Es gäbe keinen solchen Verträge mit Google und das ganze sieht nach windiger Unseriösität aus.

»Du hast da keine Ahnung – ich bin halt von der jüngeren Generation.«

Bähm.

Hat der das echt gesagt?
Ja.
Hat er.

Da bleibt einem kurz die Spucke weg.
Nicht wegen des Alters. Und Gott weiß, wie blöd das ist, wenn man beim Optiker das Ü40 Screening angeboten bekommt…
Vielmehr wegen der Frage: Ist DAS die neue Generation? Ist DAS der Nachwuchs, der unser Unternehmen in der Online Welt präsentiert?

Leute, die keine fundierten Kenntnisse haben? Keinen Weitblick für Kontext? Keine Praxiserfahrung in unterschiedlichen Settings? Die auf dicke Marie machen und einfach mehr klopfen, statt liefern?

Nach dem Feedback an den Kunden, dass sie nicht mit einem solchen Dienstleister zusammenarbeiten wird und ihm dasselbe geraten sei, hat sich der Kunde vom Jungspund auch distanziert. So richtig sauber fühlte sich das für ihn auch nicht an. Aber was willst du halt machen, wenn du selbst keine Ahnung hast? Da fehlen eben die richtigen Fragen.

Nun ist der Bengel weg und eine Frage bleibt: Wer bildet solche Höhenpiloten eigentlich aus?

In erster Linie wohl kaum die Eltern. Mir scheint als habe man diesem Jungen den Volksbanken Raiffeisen Claim auf den Strampler gestickt »Wir machen Dir den Weg frei« oder so ähnlich und den Buben für ein Minimum an Leistung gepampert.

Wer fürs Pünktlichsein gelobt wird, der hat den Standard sehr schnell nach unten korrigiert. Da wird die Luft nach oben immer mehr.

Auch Schule bildet nicht wirklich, wenn man Bildung als etwas betrachtet, wie: »Lerne zu lernen«. Vielmehr scheint Schule oftmals als Vermittler von Wissen, was eh jeder heute per Klick aufs Handy bekommt.

Dann richtet es der Ausbildungsbetrieb? Das Studium?

Die Generation ist Convenience gewohnt. Kurze Strecke. Wenig Aufwand. Wenig Konzentration nötig. Sie ist gewohnt Short Videos auf Tiktok zu drehen – und das muss man neidvoll anerkennen – meistens auch noch cool gemacht.

Alles gut. So ist die Entwicklung eben. Nur Stand der Dinge: Augenringe. Zumindest für den Auftraggeber, denn da muss die Kuh vom Eis.

(Ok. Jetzt ist auch Schluss mit Phrasen dreschen)

Unternehmen brauchen Qualität und Nachhaltigkeit. Also zumindest dachte ich das. Vielleicht liegt aber auch da schon der erste Denkfehler. Ich weiß es nicht.

Was dieser Bengel hatte war jede Menge Mut, keine Angst vor Autoritäten und einen guten Sack voll Selbstbewusstsein. Das ist erstmal was Gutes. Daraus kann man was machen.

Ich war nur bislang immer auf dem Tripp: Wer große Klappe hat, der muss auch liefern. Zudem bin ich der tiefsten Überzeugung, dass zum Arbeiten Bildung in Form von Selbstreflexion und Lernen das Beste ist um herausragende Ergebnisse kreieren zu können. Also Erkennen von eigenen Grenzen. Feedback umsetzen. Erfahrungsbasiert argumentieren. Und vor allem: Das Gegenüber respektieren und fair behandeln.

Vielleicht müssen wir auch lockerer werden?
Unsere Ansprüche anpassen?

Da mache ich direkt die alte Generation und sage: »Das haben wir so noch nie gemacht. Das wird nichts. Wo soll denn das enden?«

Dann erschrecke ich mich kurz. Weil ich es leider genauso meine.
Ich versuche krampfhaft die letzten Spuren an Selbstreflexion aus den Poren zu ziehen und komme nicht weiter als diesen Gedanken:

Vielleicht gibt es außer seiner Welt und meiner Welt noch irgendwo eine andere Welt. So ein bisschen outstanding. Eine Welt die uns beiden zeigt, dass wir jetzt loslassen und lernen können. Und alles ganz anders und so viel einfacher ist.

TEXT: Stapelfux