„Heißa, wie toll!“, sagt das Auge zur Betrachterin. Schränke und Schubladen mit ebener Fläche. Eine Optik wie aus einem Guss, ein harmonisches Bild. Ganz ohne Schnickschnack, ohne störende Zusatzfeatures wie Griffe aus Metall, Kunststoff oder Holz, gebogen oder grade, kurz oder lang, rund oder eckig. Das Fatale: auch diese unterliegen einer Mode. Und die Möbelwerbung schreit es geradezu heraus, dass ein neuer Look noch aktueller ist.
Aber jetzt ganz ohne? Langsam trudelte es auch in mein Bewusstsein: ich habe mich an den Griffen meiner Kücheneinrichtung satt gesehen, finde sie furchtbar altbacken und ja, irgendwie echt hässlich.
HOT? Nun also ästhetisch blank, pure Oberfläche, barrierefrei in Szene gesetzt. Ganz Statement des nachhaltigen Mobiliars, das keine Griff-Mode mitmachen muss. So glänzt es mir nicht nur im Prospekt, sondern auch im Einrichtungshaus entgegen.
Der Glanz überträgt sich auf meine Augen und meine Überlegungen frohlocken: Kein Hängenbleiben mehr mit Töpfen, Tassenhenkeln, Ärmeln, offenen Spaghetti-Packungen, die hernach Mikado-artig den Fußboden zieren. Kein hervorstehendes Element, das leicht übersehen ein Stör- und Stoßfaktor ist. Ich schwelge in der Vorstellung, die perfekte Lösung gefunden zu haben und streiche fasziniert über das Möbel – mein Möbel! – mit der absolut besten Oberfläche ever.
SCHROTT? Jäh werden meine begeistert haptischen Sinne unterbrochen. „Guck, guck, guck, ein Fleck!“, empört sich das Auge bei der Betrachterin. Tja, das Öffnen und Schließen auf einfachem Druck hinterlässt – einfach Spuren. Na gut, hat ja auch keiner gesagt, dass ebene Oberflächen (selbst solche mit Lotus-Effekt) das Putzen ersparen.
Grifflose Möbel sind Hot, sind Schrott? Die Zeit wird es zeigen. Aber eines ist doch eigentlich sicher: wenn sich die Mehrheit dafür entscheidet, ist es auch nicht mehr – neu und schick. Oder?
TEXT: Claudia Klaft