Chantal der Woche | Vermurkste Frauen-Ausgabe

Kevin der Woche

Was passiert, wenn sich ein Magazin mit einer „Sonderausgabe Top-Frauen“ schmücken will

Viele Frauen sind erfolgreich selbständig und besetzen Spitzenpositionen. Und immer auffälliger wird das blau-grau auf Führungskräfte-Ebene nicht mehr nur durch Krawatten und Socken farbiger – sondern auch durch präsente Frauen, die entscheidungsfreudig und souverän die Zukunft von Unternehmen gestalten. Vorwort Ende.

Ein Magazin mit reichlich wirtschaftlichem Anspruch witterte offenbar die Gunst und sprach: „Hoppla ihr Top-Frauen, da sind auch wir mal ganz top und präsentieren euch in einem attraktiven Umfeld. Und zwar, ist ja auch logisch, zu einem attraktiven Anzeigenpreis“. Gelockt wurde u.a. mit einer Platzierung auf der Innenseite der Cover. Und dann kam sie – die „wir machen eine besonders attraktive Top-Frauen-Sonderausgabe“. Erstaunlicherweise mit besonderen Begleiterscheinungen:

Top 1: Das Titelbild ziert tatsächlich ein Mann! Und die Frauen? Entfalten sich hinter ihm – auf Ausklappseiten. Oops. Honi soit qui mal y pense.

Top 2: Auf eben diesen Ausklappseiten sind passfotogroße Porträts der lächelnden Frauen aneinandergereiht. Attraktiv. Aber attraktiv platziert? Und oha, nur mit persönlichem Namen untertitelt, weil für den Firmennamen irgendwie kein Platz mehr war. Dabei hatten sie doch dafür bezahlt, als Führungsperson (oder war Top-Frau anders zu verstehen?) gezeigt zu werden – und nicht als Privatperson. Hm.

Top 3: Im Editorial, von einer Frau geschrieben, findet sich kein einziger Hinweis darauf, dass es im Heft um erfolgreiche Frauen geht. Stattdessen kleine Anekdoten über die erfolgreichen Männer, von denen im Heft berichtet wird. Bingo, das liegt natürlich daran, dass sich die „Sonderausgabe Top-Frauen“ (welch erfolgreiches Akquise-Argument!) doch nur auf den Anzeigenteil bezieht – und dieser ist selbstverständlich keine Erwähnung wert. Es fehlt seltsamerweise im Heft an ausreichend redaktionellen Berichten über Erfolgsfrauen.

Top 4: Irgendwo ab der Mitte des Heftes läutet das Bild einer „Business-Frau“ aus einem bekannten Internet-Bildarchiv die Rubrik ein, in der Frauen auf redaktionell getarnten Seiten ihren Erfolg publizieren. Fehlender Respekt, dass hier ein beliebiges „das habe ich schon mal irgendwo gesehen“-Foto herhalten muss?

Top 5: So präsentiert man Top-Frauen? Geschenkt. Traurig, dass Frauen offensichtlich noch dafür zahlen müssen, um überhaupt „veröffentlicht“ zu werden, dass sie anscheinend eher als Anzeigenkundinnen interessant sind.

Bin ich zu kritisch? Typisch weiblich pikiert? Nein, mir geht es um Werte. Darum, dass man den Erfolg der Frauen wahrnimmt, ernst nimmt, anerkennt und gleichberechtigt über sie berichtet – statt dass man ihnen, weil es en vogue ist, eine Sonderausgabe widmet, in der sie auch noch Geld für lächelnde Porträtaufnahmen auf Ausklappseiten zahlen müssen.

Wo ist die ultimative Chef-Sonderausgabe eines seriösen Magazins mit einer toughen Top-Frau auf dem Titelbild und den honorablen Silberrücken zum Aufklappen, nur mit Namen untertitelt? Unternehmen und Position der Herren sind unwichtig, Hauptsache sie lächeln. Und lasst sie ordentlich dafür bezahlen.

TEXT & MEINUNG: Claudia Klaft